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193 Geweihfunde stammen von Abwurfstangen, dem stehen 157 Funde gegenüber, die von schädelechten Geweihen stammen. 14 der schädelechten Geweihfunde passen zusammen, sie stammen von 7 Tieren, alle anderen schädelechten Geweihe sind Einzelstücke. Damit sind anhand der schädelechten Geweihe 150 Tiere nachgewiesen. Das postcraniale Cervidenmaterial stammt nach vorläufigen Zählungen von weniger als 80 Tieren. Dabei wurden weder taxonomische, noch geschlechtliche Unterschiede berücksichtigt. Es ist demnach zu erwarten, daß durch die schädelechten Geweihe mindestens doppelt soviele männliche Rothirsche repräsentiert werden, als durch postcraniales Material.

Alterstruktur und Saisonalität

Altersabschätzungen sind anhand von Rothirschgeweihen kaum mit ausreichender Sicherheit durchführbar. Am ehesten aussagekräftig ist bei schädelechten Geweihen das Verhältnis von Rosenstocklänge zu Rosenstockdurchmesser. Bei Abwurfstangen ist eine Annäherung an eine Altersabschätzung am besten mit Hilfe der Formzahl Siegel / Rose zu erreichen (Habermehl 1985). Aus dem Vergleich der ermittelten Koeffizienten für Abwurfstangen und für schädelechte Geweihe mit den Alterswerten für rezente Rothirsche (Hattemer and Drechsler 1976; Habermehl 1985) läßt sich ableiten, daß die Abwurfstangen überwiegend von jugendlichen und jungadulten Tieren, die schädelechten Geweihe überwiegend von jungadulten und adulten Tieren stammen könnten.

Während der Zeitraum des Abwurfes der Abwurfstangen, der vermutlich zum Frühjahrsbeginn stattfand kaum von taphonomischer Bedeutung ist, ist eine am schädelechten Geweihmaterial gemachte Beobachtung bemerkenswert: nur wenige schädelechte Geweihfragmente weisen Demarkationslinien (Bubenik 1966) im distalen Rosenstockbereich auf. Entlang der Demarkationslinien erfolgt der spätere Abwurf der Geweihe. Demarkationslinien entstehen etwa um die Brunftzeit herum, also im Herbst. Für nahezu alle schädelechten Geweihe kann also eine Todeszeit der Hirsche vor dem Herbst, im Spätsommer vermutet werden.

Aussagen zur Altersstruktur und Saisonalität der Bilzingslebener Cerviden müßen zurückgestellt werden, bis die Analyseergebnisse des cranialen und postcranialen Skelettmaterials vorliegen. Bevor man eine aussagekräftige Interpretation derartiger Daten versucht, muß zunächst festgestellt werden, wie es zu dieser Ansammlung von Funden kam, Untersuchungen, die in Bilzingsleben gerade erst begonnen haben.

Größenklassen

Die Längenverteilungen der meisten Geweihfunde (Abb. 6) der Ausgrabungen 1969 - 1993 (gemessen wurden 2371 Funde) ist deutlich von den kleineren Fraktionen dominiert. Untere Stangen (Abb. 7), sowie Kronenfragmente (Abb. 8) haben weniger regelmäßige Längenverteilungen als die isolierten Sproßelemente und Geweihfragmente (Abb. 9), welche < 15cm sind. Die meisten der kleinen Funde haben Längen zwischen 3 - 6cm. Geweihmaterial < 3cm fehlt. Experimente zeigten (Abb. 10), daß während der Geweihbearbeitung mehr Funde < 3cm, als mit Größen zwischen 3-6cm anfallen.

abb.6   abb.7
Abb. 6 (l): Längen aller Geweihfunde.   Abb. 7 (r): Längenverteilung der unteren Stangen.

abb.8 abb.9
Abb. 8 (l): Längen der Kronen und Kronenfragmente.   Abb. 9 (r): Längen der Sproßelemente und der Geweihfragmente.

abb 10
Abb. 10: Längenverteilung der experimentell gewonnenen Geweihfragmente.

Bemerkungen zur Erhaltung der Geweihfunde

Einige wenige Geweihfunde sind durch Sedimentauflast stark zerquetscht, nahezu alle Funde weisen jedoch ihre ursprüngliche Form auf und sind nur selten ein wenig deformiert. Risse sind ebenso häufig im Material zu beobachten, wie Korrosion und Abrasion. Neben diesen häufigen Phänomenen lassen sich des öfteren auch mehr oder weniger geringe Manganfleckung und moderne Beschädigungen beobachten. 47 Geweihfunde (1,67% des Materials) weisen Verbißspuren auf, meist handelt es sich um Verbiß durch Cerviden (nach frdl. mdl. Mittlg. von L. Maul, Weimar, liegt an keinem der genannten Stücke Nagetierverbiß vor). Teilweise erodierte Spuren von Wurzelkorrosion sind auf 3 Geweihfunden beobachtbar. Häufig sind Kratzer, welche teilweise auf Hirschaktivitäten zu Lebzeiten der Tiere zurückzuführen sind. Das Bilzingslebener Geweihmaterial ist in drei unterschiedliche Stadien der allgemeinen Oberflächenerhaltung zu unterteilen:

  1. Stadium 1 (2,4%): Alle Strukturelemente der Oberfläche sind deutlich sichtbar, Rißbildungen kommen vor beginnende Oberflächenzerstörung).
  2. Stadium 2 (91,5%): Die Geweihoberflächen sind durch Korrosion und / oder Abrasion verändert, die Strukturelemente der Oberfläche sind noch sichtbar, Rißbildungen kommen vor fortgeschrittene Oberflächenzerstörung).
  3. Stadium 3 (6,1%): Die Geweihoberfläche ist durch Korrosion zerstört, die Strukturelemente der Oberfläche erodiert (völlige Oberflächenzerstörung).

Demnach ist die Oberflächenerhaltung im Allgemeinen als gut zu bezeichnen. Von Interesse sind weiterhin differentielle Oberflächenerhaltungen. Alle Funde der Stadien 2 und 3 tragen Spuren der Korrosion. 39,5% dieser Funde haben unterschiedlich korrodierte Oberflächen, die stärker korrodierten Seiten der Funde wurden während der Ausgrabung unten liegend angetroffen. Die verbleibenden 60,5% sind rundum gleichmäßig koorodiert. 42,2 % der Funde der Erhaltungsstadien 2 und 3 weisen jeweils eine stärker abradierte Seite auf, während 57,8% rundum gleichmäßig abradiert sind. Funde mit einer stärker abradierten Seite wurden während der Ausgrabung mit den stärker abradierten Seiten nach oben liegend angetroffen.

Abrasion kommt in verschiedener Form in allen Teilen des ausgegrabenen Landschaftsausschnitts vor und - soweit dokumentiert - in allen stratigrafischen Einheiten. Das Gleiche gilt für Funde mit zweiseitiger Abrasion. Die abrasive Kraft laufenden Wassers zeigt eine unterschiedliche Wirkung auf Geweihe und andere Knochen, indem es die Mehrheit der Geweihfunde aus ihrer ursprünglichen Position verlagerte, bevor sie endgültig zur Ruhe kamen, gefolgt von einer weiteren Phase fluvialer Abrasion.

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© Internet Archaeology URL: http://intarch.ac.uk/journal/issue8/vollbrecht/deu/5.html
Last updated: Wed Sep 20 2000