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Schluß

Das Geweihmaterial des altpaläolithischen Fundplatzes Bilzingsleben, aus den Ausgrabungen der Jahre 1969 - 1993 ist stark fragmentiert. Soweit bestimmbar handelt es sich zumeist um Fragmente von Rothirschgeweihen. Es überwiegt kleinformatiges Material aus dem Sproßbereich. Das überwiegend gut erhaltene Geweihmaterial bildet eine heterogene Ansammlung verschiedenster Geweihfragmente. Eine Zusammengehörigkeit des häufigen Sproßmaterials mit dem Stangenmaterial konnte sowohl numerisch, als auch durch Zusammenpassungen nicht bewiesen werden.

Die Analyse der Längen der Geweihfunde (Abb. 6) belegt ein Fehlen der kleinsten Fraktion, < 3cm. In Analogie zu entsprechenden Untersuchungen an Steinartefakten (Schick 1991), aber auch belegt durch eigene Experimente zur Herstellung von Geweihartefakten, kann aus der Größenverteilung der Geweihfunde geschlossen werden, daß eine Geweihbearbeitung vor Ort nicht stattfand. Die relativ niedrige Anzahl an Funden < 3cm darf andererseits nicht überbewertet werden: das Fundschichtsediment wird routinemäßig gesiebt (Maschenweite 3mm) und kleine Fragmente, z.B. von Biberzähnen oder Feuersteinsplitter < 3cm werden häufig gefunden. Zumindest spongiöse Geweihfragmente und Geweihfunde < 1cm können vermutlich im durchgesiebten Fundschichtsediment als solche nicht mehr erkannt werden.

Die Mengenkartierung der Geweihfunde zeigte eine deutliche rämliche Übereinstimmung zwischen Arealen mit erhöhtem Geweihvorkommen und den größten Sedimentmächtigkeiten im Schwemmfächerbereich. Das gilt insbesondere für die Funde < 120mm. Funde > 155mm sind mehr oder weniger gleichmäßig über die Fläche verteilt, auch sie haben aber die Tendenz dort konzentriert vorzukommen, wo hohe Sedimentmächtigkeiten vorliegen. Insbesondere die Funde > 155mm aus Abschnitten der unteren Stangen, ihre räumliche Nähe zu den Arbeitsplätzen 3 und 4 und allgemein zurr Uferzone wurden von D. Mania (1986a; 1986b; 1993b) besonders hervorgehoben. Nach seiner Hypothese handelt es sich bei solchen Stücken um Geweihwerkzeuge, deren Herstellungsreste die übrigen Geweihfunde repräsentieren. Ihr räumlicher Zusammenhang mit den Funden anderer Fundgruppen wird als Argument für die postulierte Zonierung des Fundplatzes gesehen. Die Vielzahl der Argumente kann hier nicht wiederholt werden (Mania 1993b). Hingegen ist darauf zu verweisen, daß der Zusammenhang zwischen Geweihkonzentrationen und größten Travertinsandmächtigkeiten auch einen nichtanthropogenen Akkumulationsvorgang für die Geweihfunde möglich erscheinen läßt. Vor allem ist mit C.- J. Kind (1985, 145) zu bemerken: "Die Zuweisung einer Gerätekonzentration zu einer bestimmten Aktivität setzt ein detailliertes Wissen über die Funktion der jeweiligen Geräte voraus."

Zur Funktion der vermuteten Geweihgeräte und hinsichtlich der Technologie der postulierten Herstellung von Geweihgeräten (Mania 1993b) ist festzuhalten, daß wir im Bilzingslebener Geweihmaterial einem Bruchmuster begegnen, das nicht in befriedgender Weise auf den frühen Menschen, sondern eher auf Sedimentdruck zurückgeführt werden muß. Die in früheren Arbeiten (Mania 1993b) als Gebrauchsspuren angesehenen Phänomene erwiesen sich als reine Brüche. Echte Gebrauchsspuren sind nahezu nicht vorhanden, die Ausnahme bilden 5 Funde (0,18% des Gesamtmaterials), an denen mögliche Spuren von Gebrauch vorhanden sind. Die Hypothese einer gezielten Herstellung von Geweihgeräten und deren Gebrauch im ausgegrabenen Landschaftsausschnitt ist erwiesenermaßen als unrichtig abzulehnen. Dementsprechend müssen auch die Argumente für eine Zonierung des Fundplatzes in verschiedene Aktivitätszonen, welche aus dem Geweihmaterial abgeleitet wurden als ungültig angesehen werden.

Die genannten Fakten belegen dies zwar, die abzuleitende allgemeine Entstehung der Geweihansammlung im ausgegrabenen Landschaftsausschnitt in Bilzingsleben (Abb. 36) kann aber keinesfalls als befriedigende Rekonstruktion der taphonomischen Prozesse angesehen werden.

abb 36
Abb. 36: Allgemeine Entstehung der Geweihansammlung im ausgegrabenen Landschaftsausschnitt.

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© Internet Archaeology URL: http://intarch.ac.uk/journal/issue8/vollbrecht/deu/10.html
Last updated: Wed Sep 20 2000